Tokenisierung – Auswirkungen auf die Investmentbranche
Heute, in der die Digitalisierung eine stets beträchtlichere Rolle spielt, sollten „Distributed Ledger“ Technologien (wie z.B. Blockchain), „Smart Contracts“ und „Tokenisierung“ bekannte Begriffe darstellen. Allein in der Finanzbranche hat sich die Einführung von Informationstechnik in den letzten Jahrzehnten mehr als versechsfacht und ist stets dabei zu wachsen. Während FinTechs mit innovativen Lösungen auf die Märkte stürmen, können traditionelle Strategien oftmals nicht mehr mithalten und werden schließlich in den Hintergrund gerückt. Die weltweiten Finanzierungen in FinTechs haben sich seit 2010 verfünffacht, was ein Ausdruck für den Wunsch und die Hoffnung der Branche nach mehr Digitalisierung ist.
In diesem Zusammenhang untersuchen wir die unterschiedlichen Möglichkeiten der Distributed Ledger Technologien sowie die Zukunft der Tokenisierung für die Investmentbranche. Dadurch, dass verschiedenste Wertgegenstände auf kostengünstige Weise digital verbrieft werden können, eröffnet die Tokenisierung von beispielsweise Wertpapieren vollkommen neue Dimensionen der strategischen Ausrichtung von Anlegern. Außerdem ermöglicht eine Transaktion über Distributed Ledger Technologien einen enorm schnellen, kostengünstigen, sicheren und effektiven Handelsprozess.
Token sind digitale Repräsentationen von materiellen oder immateriellen Gütern auf bereits existierenden Distributed Ledgern. Die bekannteste Art von Token stellen Kryptowährungen, wie Bitcoin, dar. Diese sind generell an keine externe Währung geknüpft und generieren ihren Wert daraus, dass sie als Einheit in ihrem jeweiligen Netzwerk agieren. Der Preis schwankt allerdings stark und ist durch Erwartungen der Investoren im Hinblick auf die Verbreitung des Netzwerkes bedingt.
Eine Tokenisierung bedeutet – vereinfacht gesagt, dass unterschiedliche Gegenstände digital verbrieft und auf einem Distributed Ledger abgebildet werden können. Es gibt verschiedene Arten von Token wie Kryptowährungen, Utility-Token und Wertpapier-Token, die eine enorme Effizienzsteigerung vermehrt für die Finanzbranche bieten. Dabei wird zwischen Utility-Token und Security-Token unterschieden. Erstere stellen einen bestimmten Nutzen dar, meistens ist dies eine bestimmte Funktion in einem System oder der Zugang zu einem System oder einer Plattform. Security-Token beschreiben verbriefte, auf einem Distributed Ledger abgebildete Wertpapiere. Ziel ist die Automatisierung von Prozessen sowie die Bildung neuer Investitionsprodukte und -strategien. Die digitale Abbildung und der Handel von diversifizierten Assets (Wertpapiere, ETFs aber auch Immobilien oder Kunst) wird möglich gemacht, was den Handel sowohl vereinfacht als auch strategisch verändert. Besitzen zwei Handelsparteien ein sogenanntes „Wallet“, so ist ein Vermittler nicht mehr notwendig, was eine enorme Transaktionskosteneinsparung mit sich bringt. Dies würde zudem den Handel beschleunigen und enorme Sicherheit bringen, denn eine Eigenschaft der Distributed Ledger Technology ist es, dass sobald diese erstellt ist, sie nur sehr schwer verändert oder gelöscht werden kann. Dieser Effekt wird sogar durch das stetige Erweitern der Kette noch verstärkt. Darüber hinaus kann die Sicherheit durch die Nutzung von privaten Netzwerken zusätzlich gesteigert werden.
Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, welche Auswirkungen die Tokenisierung für die Investmentbranche haben könnte:
Im stets andauernden Niedrigzinspool, in dem die Investoren nach stabilen Renditen suchen, sind alternative Investitionsmöglichkeiten von großer Bedeutung und werden vermehrt attraktiver. Vermögensgegenstände können mithilfe der Tokenisierung in beliebig viele Anteile aufgesplittet werden, was Märkte, die bislang illiquide und wenig fungibel waren, neu erschließt und auch Anleger mit kleinen Budgets anlockt. Außerdem sinken die Kosten für alternative Investments, was diesen Markt attraktiver macht und eine Modifikation der Investitionsstrategie zur Folge hat. Aufgrund der geringen Teilbarkeit sowie vergleichsweise hohen Übertragungskosten für bspw. notarielle Urkunden, nehmen alternative Investments bislang einen eher geringen Anteil in den Investitionsstrategien der Anleger und Asset Manager ein. Eine Tokenisierung von alternativen Investments birgt neue Möglichkeiten für die Erschließung neuer Assetklassen sowie Diversifizierung von Portfolios. Laut einer BVI-Statistik befinden sich aktuell über 84% des Publikumsfondsvermögens in Aktien-, Renten- oder Mischfonds. Alternative Investments bilden dabei nur einen geringen Teil ab. Aufgrund hoher Transaktions- und Bewertungskosten werden Alternative Investments überwiegend direkt gehalten oder wurden überwiegend von institutionellen Anlegern für ihre Investitionsstrategie berücksichtigt. Mithilfe der Tokenisierung ist eine Umverteilung der Investitionen begleitet durch eine breitere Diversifizierung durchaus möglich. Wir erwarten eine Veränderung sowie ein Umdenken bei den Anlagestrategien von Fonds und bei Privatanlegern, letzterer Trend allerdings zeitversetzt später. Folgt man einer BVI-Statistik aus dem Jahr 2019, hat sich der Anteil der Alternativen Investmentfonds am Publikumsvermögen im Vergleich zum Vorjahr sogar um fast 20% erhöht. Wir rechnen damit, dass die Erhöhung des Anteils in den nächsten zehn Jahren weiter ansteigen wird. Zudem erwarten wir eine Umverteilung der Anlagestrategie hin zu einer breiteren Diversifizierung der Investments.
Die digitalen Rechte des Gegenstandes werden komplett von diesem getrennt, was mithilfe von Smart Contracts abgewickelt wird. Diese vereinfachen eine Übertragung mithilfe von selbsterfüllenden Verträgen, die auf simplen Wenn-Dann-Funktionen beruhen und den Auftrag prüfen sowie die neuen Rechte aktualisieren können. Die Informationen werden in Codeform in Blöcken im Distributed Ledger gespeichert. Diese Informationen können, wenn sie einmal dort codiert wurden, nicht mehr verändert werden. Auf diese Weise wird ein Vermittler überflüssig, was wiederum Kosten einspart. Mithilfe von Smart Contracts können zudem neue Regelungen in Finanzprodukte integriert werden wie unterjährige Dividendenzahlungen oder bestimmte Mitspracherechte. All dies kann in Smart Contracts hinterlegt und organisiert werden, da sie – einmal programmiert – selbstständig und automatisch handeln. Ebenfalls erübrigen sich durch Smart Contracts die Arbeiten von Intermediären, welche mithilfe technischer Verfahren vereinfacht werden.
Zudem wird das Thema Vergütungen zunehmend in den Vordergrund treten. Wir raten, diese neu aufzustellen und den individuellen Anforderungen der Fonds sowie deren Strategie anzupassen. Smart Contracts werden bereits in der Investmentbranche genutzt: für Couponzahlungen, Asset Backed Commercial Paper sowie Rechnungsfinanzierungen – Tendenz steigend.
Das Problem von Smart Contracts und dem tokenbasierten Handel sind aktuell noch die rechtlichen Aspekte. Wir stimmen der Stellungnahme des Blockchain Bundesverbands zu, dass die Einzelfallentscheidungspraxis der BaFin Schwierigkeiten mit sich bringt, da diese keine grundlegende Rechtssicherheit schafft und die rasante Veränderung des digitalen Handels behindert. Der einzige Vorteil dieser Praxis bezieht sich auf die zeitliche Komponente, da eine Rechtsprechung enorm schnell erfolgen kann. Zudem lassen die rechtlichen Grundlagen eine Trennung von Verwertungs- und Eigentumsrechten von Gegenständen zu dem Eigentümer nicht zu. Wir erwarten jedoch in den nächsten Jahren Entwicklungen in diesem Bereich, damit Eigentum mithilfe von Tokens auf Distributed Ledger übertragen werden kann, damit Deutschland nicht hinter vergleichbaren Industrienationen zurückbleibt.
Die Distributed Ledger Technology und ihre Möglichkeiten stehen jedoch immer noch am Anfang ihres Einsatzes und der Möglichkeiten. Es wird stets getestet, analysiert und geforscht. Verbraucher sehen insbesondere der Blockchain und ihren Möglichkeiten vermehrt skeptisch entgegen, was durch die hohe Unsicherheit am Markt abgebildet wird. Das Potenzial scheint allerdings grenzenlos und somit raten wir jedem, sofern nicht bereits geschehen, sich mit dem Thema zu beschäftigen und mit den verschiedenen Investitionsmöglichkeiten auseinander zu setzen.
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itechx Aufsatz von Therese Schulze Harling, Therese.Schulze-Harling@itechx.de